Was es uns wert ist...

Geht durch ehrenamtliche Arbeit im Weltladen die Wertschätzung der Produkte verloren? Wie können Weltläden überleben, wenn immer weniger Menschen ehrenamtlich mitarbeiten möchten?

Die Zukunft der Weltläden hängt auch davon ab, wie sich die Struktur des Fairen Handels hinsichtlich der ehrenamtlichen Arbeit entwickelt. Eine Diskussion, die schon oft angefangen, aber nie zu Ende gedacht wurde. Ein Appell einiger Weltläden hat sie nun erneut entfacht. Auch mehrere Workshops haben zu dem Thema stattgefunden. Doch was ist der Hintergrund?

Zunächst einmal ist klar, dass der Faire Handel mit Weltläden und Aktionsgruppen von Beginn an auf ehrenamtliche Strukturen gesetzt hat. Da jedoch zunächst einmal die Bildungsarbeit im Vordergrund stand und weniger der Verkauf von Produkten, war die Situation eine völlig andere. Erst mit zunehmendem Verkauf, größer und professioneller werdenden Läden, Einrichtungen, Produkten und Kassensystemen nahm der Faire Handel Fahrt auf – unterstützt durch die ehrenamtliche Arbeit. „Die Arbeit im Weltladen ist heute eine attraktive Möglichkeit sich ehrenamtlich zu engagieren: Sie bietet sinnvolle und sinnliche Tätigkeiten, neue Bekanntschaften und Kompetenzen. Die Motivation für ein Engagement kann sehr unterschiedlich sein: Während junge Menschen Erfahrungen für das Berufsleben sammeln wollen, stehen für ältere Menschen die sozialen Kontakte im Vordergrund. Weltläden bieten für Männer und Frauen aller Altersstufen interessante Betätigungsfelder: Ob Einkauf, Ladendienst, Dekoration, Buchhaltung, Homepage, Öffentlichkeitsarbeit oder Bildungsarbeit – die Auswahl ist groß. Wichtig ist Art, Umfang und Dauer der Tätigkeit klar zu definieren, damit jeder und jede seinen Platz im Team finden kann.“ – heißt es bei der GEPA zum Thema Weltladen-Gründung. Und das stimmt ja auch – Ehrenamt in Weltladen und Aktionsgruppen ist grundsätzlich gut.

Gleichzeitig überfordern die heutigen Ansprüche aber auch manche Mitarbeiter*innen – sie gleichen der eierlegenden Wollmilchsau, denn sie müssen alles können. Im konventionellen Einzel-handel gibt es für jede Produktgruppe Expert*innen, die Weltläden bieten viele Produktgruppen gleichzeitig an, über die jede*r Mitarbeiter*in detailliert Bescheid wissen muss. Edith Bruckwilder von der Eine-Welt- Gruppe Dinslaken fragt sich: „Wie kann ich unseren Weltladen sicher in die Zukunft führen, wenn wir nicht in der Lage sind, ihn hauptamtlich zu führen? Es werden auf Dauer nicht mehr so viele freiwillige Mitarbeiter*innen da sein, deshalb muss dringend etwas Neues entstehen, das die Weltläden zukunftsfähig macht. Ich bin mir noch nicht sicher, was genau das sein kann, aber die Diskussion muss jetzt geführt werden.“ Edith Bruckwilder war im Juni auf den Weltladen-Fachtagen in Bad Hersfeld, hat dort den Workshop „Wunschtraum Fachgeschäft“ mitgemacht und konnte sich in der Debatte wiederfinden. „Der Faire Handel gleicht einer Pyramide – Importorganisationen, Netzwerke, Bildungsverbände, Trägergesellschaften – alle werden bezahlt, nur die Menschen in den Läden nicht! Das geht auf Dauer nicht gut!“.

Auch Claudia Greifenhahn, hauptamtliche Geschäftsführerin des Ladencafé AHA in Dresden meint: „Aus meiner Sicht muss der Wert der Produkte neu definiert werden. Ökonomisch betrachtet besteht der Wert aus der gesamten Wertschöpfungskette, in die auch das letzte Glied einberechnet werden muss. Und wenn man das letzte Glied nun ehrenamtlich vorsieht, dann betrachtet man den Wert nicht ökonomisch.“ Da kommt dann auch das für viele leidige Thema „Margen und Rabatte“ ins Spiel. Das Ehrenamt im Fairen Handel zu verpönen ist überhaupt nicht angedacht. Schließlich gibt es über die Ladendienste noch viele andere Möglichkeiten des Engagements. Petra Schürmann vom Kindermissionswerk „Die Sternsinger“: „Die kleineren Weltläden und Aktionsgruppen in eher dörflichen Strukturen arbeiten ja völlig anders als ein städtischer Weltladen. Ebenso denke ich an die steigende Zahl von Schulklassen und Schülerfirmen, die sich natürlich auch ehrenamtlich für den Fairen Handel engagieren.“ Da geht es weniger um Wirtschaftlichkeit, als um Bildungsarbeit. Der Faire Handel bietet die Möglichkeit, Unterrichtsinhalte praktisch und projektorientiert umzusetzen. Für Lucie-Maria Rodemann vom Agenda- Büro Dinslaken ist noch ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang wichtig: „Für uns in den Netzwerken und Gemeinden geht es gar nicht ohne die Ehrenamtlichen aus den Weltläden – wir brauchen sie für unsere Bildungsarbeit. Natürlich sehen wir die Problematik des Ladens, die Bildungssäule muss hingegen weiterhin ehrenamtlich geführt werden.“ Was also tun? Der Workshop in Bad Hersfeld hat jedenfalls dazu geführt, dass nun ein Runder Tisch gegründet wird, bei dem Vertreter*innen aus Weltladen, des Weltladen-Dachverbandes, der Fairtriebszentren und Fair-Handels-Beratung gemeinsam erarbeiten, wie Verbesserungen umgesetzt werden können. Insbesondere geht es darum, Möglichkeiten zu finden, Weltläden mit Hauptamtlichen professionell und wirtschaftlich zu führen und dabei die Vielfalt der Weltläden zu akzeptieren und wertzuschätzen.

Es geht um konstruktive Dialoge, um den Fairen Handel sicher in die Zukunft zu führen – mit hauptamtlich  Mitwirkenden und gerne auch ehrenamtlich, wer mag.

 

Gundis Jansen-Garz

 


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