„Wenn ihr uns gerechte Preise zahlt, könnt ihr Eure Almosen behalten“ - Dieses Zitat des brasilianischen Bischofs Dom Helder Camara prägt seit vielen Jahrzehnten den Fairen Handel und wird oft von Weltläden und anderen FairHandels-Akteuren für die Vermittlung der eigenen Arbeit verwendet. Vor allem zum Jahresanfang und spätestens nach dem Jahresabschluss stellen sich viele Weltläden die Frage, wie und wofür sie ihre Gewinne verwenden wollen.
Obwohl der Faire Handel sich als Handelspartnerschaft versteht, spenden viele Weltläden die Gewinne an Projekte, oftmals ohne klare Bezüge zum Fairen Handel. Wäre eine Investition in die eigenen Ladenstrukturen nicht besser? Von den 236 Weltläden, die 2017 am Weltladen-Monitoring teilgenommen haben, gaben 85 Weltläden an, einen Teil ihres Rohertrags an Fair-HandelsPartner (Produzent*innen) gespendet zu haben. 109 Weltläden gaben an, dass sie an andere Organisationen außerhalb des Fairen Handels gespendet haben. Insgesamt wurden in 2017 laut Weltladen-Monitoring 177.944,00 Euro vom Rohertrag in den Fairen Handel und 303.345,55 Euro an andere Empfänger gespendet.
Es ist zu vermuten, dass von den insgesamt 800 Weltläden in Deutschland eine Summe von mehr als 500.000 Euro im vergangenen Jahr aus dem Fairen Handel heraus gespendet wurde. Dabei reicht die Bandbreite von Kinderarmut, Umweltschutz, Gesundheitsförderung bis zu weiteren caritativen Spenden. Das ist bedenklich in verschiedener Hinsicht; vor allem da Weltläden und Fair-Handels-Organisationen vor großen Herausforderungen stehen und sich auf dem Markt behaupten müssen. Gelder, die aus dem Gewinn der Weltläden an einzelne Projekte im globalen Süden fließen, fehlen den Läden für Reinvestitionen in den eigenen Laden. Dadurch stagniert oder sinkt oft der Verkauf, der Laden veraltet und verliert an Attraktivität. Dies hat direkte Auswirkungen auf den Absatz der Produzent*innen.
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist es sinnvoll, in die Professionalisierung des Weltladens, die Bildungs- oder Kampagnenarbeit zu investieren. Sollen darüber hinaus noch Spenden an Partnerprojekte gegeben werden, ist es wichtig, einen Blick auf die langfristigen Wirkungen des Projektes zu werfen und darauf zu achten, dass es sich um eine Partnerschaft auf Augenhöhe handelt. Viele Weltläden spenden an Projekte, die bereits von den Gründer*innen angestoßen wurden und bei denen es eine hohe Identifikation gibt. Hier sollten Weltläden genau auf die Seriosität und nachhaltige Wirkung der Projekte achten und die Sinnhaftigkeit ihrer Spende immer wieder überprüfen.
Die Präambel der Weltladen-Konvention von 2010, die das Selbstverständnis für die Mitglieder des Weltladen-Dachverbandes ist, beinhaltet klare Ziele in Bezug auf die Handelspraxis. „Der Faire Handel zeigt beispielhaft auf, wie die ökonomischen, ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen innerhalb des Weltwirtschaftssystems verändert werden können, und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die weltweite Armut. Die Organisationen des Fairen Handels arbeiten besonders mit Kleinproduzent*innen zusammen mit dem Ziel, deren wirtschaftliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen.“ Weiterhin ist in der Konvention vereinbart, dass alle Fair-Handels-Akteure nach der Vergrößerung ihres Handelsvolumens streben sollten, um eine Einkommenssteigerung und einen Zugewinn an sozialer Sicherheit für die Produzent*innen zu erreichen. Erwirtschaftete Überschüsse sollen vorrangig in die Strukturen des Fairen Handels reinvestiert werden. Soweit dies sinnvoll ist, hat die Wertschöpfung im Ursprungsland zu erfolgen. Darin wird deutlich, wie die Weltläden mit den erwirtschafteten Gewinnen umgehen wollen.
Wenn nun ein beachtlicher Teil der Gewinne eines Weltladens in viele kleine Projekte fließt, die nichts mit dem Fairen Handel zu tun haben, dient das zunächst einmal nicht den Beteiligten entlang der (fairen) Lieferkette. Fairer Handel ist in erster Linie aber eine Handels-Partnerschaft. Es geht darum, Produzent*innen darin zu unterstützen, durch ihre Arbeit ein würdiges und selbstständiges Leben zu führen, indem ihre Leistung anerkannt wird. Nur eine Änderung der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen kann langfristig unser ungerechtes und auf Konkurrenz und Wachstum ausgerichtetes Weltwirtschaftssystem ändern. Selbstverständlich leisten die Weltläden mit ihrem Verkauf, ihrer Kampagnen- und Bildungsarbeit nur einen kleinen Beitrag dazu. Aber je besser und professioneller ein Weltladen aufgestellt ist, desto zukunftsfähiger ist er auch und desto mehr kann er zu einer langfristigen und gerechten Handelspartnerschaft beitragen.
Die dwp eG Fairhandelsgenossenschaft widmete sich in einem Newsletter vom August 2016 dem Thema Spenden. Um der Zielsetzung des Fairen Handels, den Partnern*innen und auch deren Ideen und Wünschen an die Weltläden gerecht zu werden, sind aus Sicht von dwp vor allem Investitionen in die eigenen Absatzstrukturen nötig. Die Weltladen sollten daher bei der Verwendung der erzielten Überschüsse immer die Schaffung nachhaltiger, fairer Einkommen im globalen Süden im Fokus haben. Dabei helfe zuallererst die Investition aus den erzielten Gewinnen in die eigene Absatzstruktur, in das Fachgeschäft mit Ladenausstattung, die Weiterbildung und das Fachwissen der Mitarbeiter*innen.
Dennoch gibt es von Seiten verschiedener Fair-Handels-Importeure immer wieder Spendenaufrufe für Kooperativen und Handelspartner. Im Jahr 2016 initiierte dwp beispielsweise eine Spendenaktion für seinen Partner Panay Fair Trade Center auf den Philippinen, nachdem der Tsunami die dortige Zuckermühle zerstört hatte. Das Beispiel zeigt dennoch deutlich die Herausforderungen, vor denen der Faire Handel steht. Zwar konnte mit der beeindruckenden Spendenbereitschaft der Weltläden eine neue Zuckerrohrmühle aufgebaut werden, aber nach eineinhalb Jahren stellen die Verantwortlichen ernüchternd fest, dass der Absatz des hochwertigen Mascobado Zuckers stagniert und der zusätzlich produzierte Zucker nicht in den Weltläden abgesetzt werden kann.
dwp beteiligte sich auch an der Landkaufkampagne „Gutes Land für Fairen Rooibos“, die im Sommer 2016 den Kauf von weiterem Land für die Kooperative Heiveld in Südafrika ermöglichte. Mit dem erfolgreichen Kauf der 2.497 ha großen Blomfontein Farm wurden u.a. die Teeverarbeitungsanlage und das Lager für lange Zeit gesichert und die vielfältige und einzigartige Landschaft geschützt. Hierlässt sich ein direkter Nutzen für Fair-Handelsparter*innen im Süden nachweisen.
Auch BanaFair hat vor einigen Wochen zu einer Spendenaktion aufgerufen: Auf zwei Palmölplantagen der Unternehmensgruppe JAREMAR streiken 320 Gewerkschaftsmitglieder für grundlegende Arbeits- und Menschenrechte. Die Streikenden erhalten seit vielen Wochen keinen Lohn. Die Gewerkschaften riefen zur internationalen Solidarität mit den Streikenden auf. BanaFair möchte 3.000 Dollar für den Kauf von Lebensmitteln beitragen. Die zeitliche begrenzte Aktion soll die Gewerkschaften, die seit vielen Jahren mit BanaFair kooperieren, darin unterstützen, ihre Rechte durchzusetzen.
So sinnvoll viele Spendenaktionen in solchen Notsituationen auch sind, stellt sich die Frage, ob Fair-Handels-Importeure zukünftig eher Konsument*innen bzw. Kund*innen im Weltladen statt die Weltläden in den Blick nehmen. Diese könnten dann Kund*innen auf die Spendenaktion hinweisen und darauf ansprechen. Gewinne aus dem Verkauf des Weltladens sollten hierfür aber nicht verwendet werden. Oder eben erst dann, wenn die nötigen Investitionen für die Zukunft des Weltladens bereits eingeplant wurden.
Verschiedene Akteure wie Produzent* innenorganisationen, Fair-Handels-Importeure, Hilfswerke oder der Weltladen-Dachverband sind der Meinung, dass Weltläden zunächst einmal in die eigenen Strukturen investieren sollten, bevor sie über Spenden nachdenken. Ein höherer Umsatz im Weltladen bedeutet, dass die Produzent*innen mehr Produkte im Fairen Handel verkaufen, was sich positiv auf ihre Lebensumstände auswirkt. Investitionen im Weltladen, z.B. im Marketing, in der Ladengestaltung, in der Weiterbildung des Personals oder in einen Umzug an einen besseren Standort, tragen zur Zukunftsfähigkeit bei und leisten einen wirksamen Beitrag im Fairen Handel.
Fairer Handel bedeutet auch, dass die Mitarbeiter*innen in den Weltläden bezahlt werden sollten. Auch hier sind Investitionen sinnvoll, wie etwa durch die Schaffung einer Teilzeitstelle für die Ladenkoordination, auch wenn die Margen hierfür oft nicht ausreichen. Österreich ist in dieser Sache Vorreiter – hier haben bereits nahezu alle Weltläden hauptamtliche Mitarbeiter*innen. Nicht zuletzt sollten Überschüsse nach der Investition in den eigenen Laden sinnvoll für den Weltladen-Dachverband verwendet werden, auch über eine Mitgliedschaft hinaus. Momentan sind nur die Hälfte der deutschen Weltläden Mitglied im Dachverband, der sich nur zu einem Drittel aus Mitgliedsbeiträgen finanziert und stark von Drittmitteln abhängig ist. Um seine Angebote weiter auszubauen und eine starke Position einzunehmen, ist daher eine finanzielle Beteiligung von Weltläden wichtig.
Achim Franko
Handreichung der Fair-Handels-Beratung: Spenden und Engagement im Fairen Handel, Februar 2018
Newsletter Nr. 6 / August 2016 von dwp Living Wages im Fairen Handel. Forum Fairer Handel, Berlin, 2016.
Wer anderen einen Brunnen gräbt. Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag, Berlin, 2012