Vorbild für andere?

Die Wirkungen des Fairen Handels bei uns in Deutschland

Der Faire Handel wirkt nicht nur auf die Produzierenden. Auch in unserem Land haben 40 Jahre Fairer Handel Spuren hinterlassen. Was hat sich verändert? Konnte - und wenn ja, wie - die Fairhandelsbewegung in Wirtschaft und Politik einwirken? Welt&Handel fragte nach bei Dr. Markus Raschke, Vorstandsmitglied des FAIR-Handelshaus Bayern, Bildungsreferent für Fairen Handel und Fairhandelsberater:  

 

W&H: Herr Raschke, welche Wirkungen oder Auswirkungen hat der Faire Handel in Deutschland?

Markus Raschke: Die Frage nach Wirkungen impliziert einen unmittelbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Diese Unterscheidung ist für die Frage nach Wirkungen des Fairen Handels notwendig, da sie vor Selbstüberschätzungen der Fair-Handels-Bewegung bewahrt und trotzdem Bezüge zu anderen Entwicklungen herzustellen vermag. Doch zunächst einmal hat die Fair-Handels-Bewegung entwicklungspolitische Themen in Zusammenarbeit mit anderen entwicklungspolitischen Organisationen in diversen Kampagnen in die Öffentlichkeit getragen. Nach meiner Einschätzung hatte dies deshalb Wirkungen im gesellschaftlichen Bewusstsein, weil neben den Kampagnenaktivitäten selbst die Existenz von Weltläden in den Kommunen sowie die Existenz von Fair-Trade-Produkten im Mainstream-Einzelhandel als kontinuierlicher „Erinnerer“ des Themas fungierten.

W&H: Welche Themen wären das konkret?

Markus Raschke: Da geht es um Verankerung der Frage nach den sozialen Standards, nach den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung der Hersteller von Produkten – zunächst natürlich insbesondere aus dem globalen Süden, dann aber auch bei uns im Norden.
 

W&H: Hat der Faire Handel Vorbildfunktion für andere nachhaltige Entwicklungen bei uns?

Markus Raschke: Ja, man kann beim Thema „Fairer Preis“ ansetzen. Die Übertragung für die Hersteller von Produkten auch auf die inländische Landwirtschaft und die Etablierung dafür hilfreicher Vermarktungsstrukturen im Rahmen der Regionalvermarktung bildet durchaus eine Parallele.
Die hohe ethische Plausibilität des Grundsatzes „Fairer Preis“, den die Fair-Handels-Bewegung propagiert, ist in der bäuerlichen Landwirtschaft aufgegriffen worden. Mithilfe von Solidargemeinschaften und regional ausgerichteten Vermarktungsformen konnten Landwirte die Erlös-Situation ihrer Betriebe verbessern. Nach meiner Einschätzung kann die heutige Regionalvermarktung sicherlich nicht als solche auf die Fair-Handels-Bewegung zurückgeführt werden, wohl aber deren Bezugnahme auf den Grundsatz „Fairer Preis“ und sofern Zusammenschlüsse zu Solidargemeinschaften zugrunde liegen.

W&H: Wo sind weitere Zusammenhänge erkennbar?

Markus Raschke: Ich sehe da mehrere Zusammenhänge, die aber nicht unbedingt als Wirkungen des Fairen Handels bezeichnet werden können. Da ist zum einen die Social Business Bewegung, die Public-Private-Partnerships (PPP) und die Idee der Corporate Social Responsibility. Alle drei haben viele Gemeinsamkeiten mit dem Fairen Handel, gründen aber zum Teil auf völlig anderen Grundlagen und werden mit dem Fairen Handel eher nicht in Zusammenhang gebracht. Auch wenn der Ansatz des Sozialen Unternehmertums (Social Enterpreneurship, Social Business) sehr viel mit den Ideen des Fairen Handels gemeinsam hat – nämlich die Lösung sozialer Probleme mithilfe wirtschaftlicher Mittel durch engagierte Personen und Initiativen – wird in den Fachdebatten der Social Business-Bewegung auf die Fair-Handels-Bewegung kein Bezug genommen.  Und es besteht kaum eine Vernetzung zwischen den Social-Business-Initiativen und den Fair-Handels-Initiativen.

W&H: Und wie steht es um die Public-Private-Partnerships, also die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft?

Markus Raschke: Public-Private-Partnerships (PPP) als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit setzt auf die Einbeziehung privatwirtschaftlicher Unternehmen. Nun sind auch Fair-Handels-Organisationen privatwirtschaftliche Unternehmen, die sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren, wenngleich in diesem Fall die öffentliche Hand als Geldgeber nicht Initiator des Engagements der Fair-Handels-Unternehmen ist, und deren öffentliche Förderung für die Existenz des Fairen Handels als private Entwicklungszusammenarbeit keine Voraussetzung darstellt. Im Konzept der PPP wird also eine organisatorische Selbstverständlichkeit der Fair-Handels-Unternehmen in verallgemeinerter Form von staatlicher Stelle aufgegriffen und in der Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt. Gleichwohl ist der Faire Handel keineswegs Grundlage, Ursache oder Ideengeber für die Entwicklung der PPP gewesen.

W&H: Und im Bereich der Unternehmensverantwortung?

Markus Raschke: Fair-Handels-Initiativen haben zusammen mit anderen entwicklungspolitischen Akteuren ihre Forderungen nicht nur an die Verbraucher/innen, sondern auch an Unternehmen gerichtet und dabei die Wirtschaft mit der Frage nach deren sozialen, ethischen und ökologischen Verpflichtungen konfrontiert. Unter anderem aufgrund des äußeren Einflusses hat sich insbesondere in den Großunternehmen die Idee der „Corporate Social Responsability“ etabliert. Die auf bestimmte Unternehmen gerichteten Kampagnen von Fair-Handels-Akteuren haben sicherlich zu dieser Entwicklung beigetragen – gleichwohl lässt sich das Maß der diesbezüglichen Wirkung des Fairen Handels kaum messen.

 

 


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