Ehrenamtliche im Weltladen Offenburg, Foto: Birgit Lieber, DEAB;Svenja und Nina im Weltladen Mainz, Foto: Weltladen-Dachverband / Stehle; Grafik: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft zum freiwilligen Engagement Bevölkerung ab 14 Jahren (Angaben in %) Quelle: Hauptbericht des Freiwilligensurveys, TNS Infratest Sozialforschung, München, 2009
Mehr als ein Drittel der Deutschen über 14 Jahre engagiert sich freiwillig, darunter am stärksten die Altersgruppe zwischen 35 und 44 Jahren. Ein weiteres Drittel wäre bereit für ein freiwilliges Engagement, wenn sie wüssten wie und wo.
Trotzdem ist ehrenamtliches Engagement kein Selbstläufer, auch nicht in Weltläden: das Gewinnen von (neuen) Ehrenamtlichen will gekonnt sein, ebenso ihre Betreuung und die Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen. Was sind die Chancen und Hindernisse und was sind zukunftsfähige Modelle für die Weltläden in Deutschland?
Wer macht mit?
Welcher Weltladen kennt es nicht – das Problem, neue Mitstreiter/-innen und Engagierte zu gewinnen? Viele der rund 800 Weltläden in Deutschland haben einen Nachwuchsbedarf, vor allem die Läden, die bereits seit mehr als 20 Jahren ihre wertvolle und oft ehrenamtliche Arbeit leisten.
In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten für freiwilliges Engagement stark verändert. Das bezieht sich auf zeitliche und räumliche Rahmenbedingungen ebenso wie auf Motivation und Erwartungen an ein Engagement. Auf diesen Wandel müssen sich auch Weltläden einstellen und einlassen.
Ehrenamt ist nicht mehr IN
Während es früher üblich war, sich in bestehende Verbandsstrukturen langfristig und verbindlich einzubringen, wird heute das ehrenamtliche Engagement stark von der Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit und vom individuellen Interesse abhängig gemacht. Mitgestaltung und Selbstentfaltung sind wichtige Motive und Umfang und Dauer des Engagements sind oft zeitlich begrenzt. Das Mitwirken an temporären Projekten und Aktionen steht dem langfristigen Engagement gegenüber. Auf diese Veränderungen müssen auch Weltläden reagieren.
Weltläden haben großes Potenzial
Weltläden bieten aufgrund ihrer sinnstiftenden Arbeit, der Transparenz, der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und nicht zuletzt ihrer demokratischen Strukturen, ein großes Potenzial für ehrenamtliches Engagement. Doch braucht es hier zukünftig klare Zuständigkeiten, ein langfristiges und vorausschauendes Freiwilligenmanagement und geeignete Strategien zum Gewinnen neuer Engagierter. Da der Anteil der ehrenamtlichen Arbeit in den meisten Weltläden in Deutschland sehr hoch ist, fehlt es aber häufig an personellen Ressourcen und dem nötigen Know-how.
Freiwilligenmanagement ist gefragt
Ehrenamtsforscher Paul-Stefan Roß beobachtet in Deutschland, dass Wertschätzung und professionelle Begleitung von Ehrenamtlichen noch nicht überall selbstverständlich sind und häufig noch eingefahrenen Formen und Ritualen folgen. Ehrenamtskoordination müsse als berufliche Profession etabliert und entsprechend finanziert werden. Somit ist mit der Gewinnung von Freiwilligen auch die Herausforderung verbunden, Hauptamtliche im Weltladen zu gewinnen. Dirk Steinmeyer von der Süd-Nord-Beratung in Osnabrück hat in seinem Fortbildungskurs zum/zur Freiwilligenkoordinator/-in Ähnliches beobachten können: „Wir haben bemerkt, dass es schon viele gute Ansätze im Freiwilligenmanagement der Weltläden gibt. Wirksam werden die Ansätze aber erst dann, wenn sich Ehren- oder Hauptamtliche diesem Arbeitsfeld als Freiwilligenkoordinator/-in ganz widmen und aus den Ansätzen ein Konzept entwickeln und umsetzen.“
Konzepte gibt es reichlich
Erfolgreiche Konzepte zum Gewinnen neuer Mitarbeiter/innen bzw. zum Freiwilligenmanagement gibt es vor allem in größeren Weltläden mit Hauptamtlichen. Weltläden, die altersmäßig ein gut durchmischtes Team haben und sich professionell darstellen, ziehen oftmals eher Nachwuchs an als alteingesessene Läden mit festgefahrenen Strukturen. Auch die sozialen Aspekte sind von Bedeutung. Die Weltladengruppe erfüllt oft für jeden einzelnen die Funktion eines sozialen Netzwerkes, die über die reine Arbeit hinausgeht. Das bedeutet, dass auch die gemeinsam verbrachte Freizeit ein wichtiger Motivationsfaktor für ehrenamtliches Engagement ist und in den Blick genommen werden sollte.
Bevor Aktivitäten zur Gewinnung neuer Mitarbeiter gestartet werden, sollten zunächst die Voraussetzungen innerhalb des Weltladens geklärt werden. Hilfreiche Fragen können hier sein:
Welches Selbstverständnis hat der Weltladen? Für welche Bereiche und Aufgaben sollen neue Mitarbeiter/-innen gewonnen werden und was erhofft sich das Team bzw. der Vorstand davon? Welche Erwartungen werden an freiwillig Mitarbeitende gestellt? Auf der anderen Seite ist auch zu klären, was der Weltladen neuen Mitarbeitern/-innen bieten kann (z.B. regelmäßige Fortbildungen, aktive Mitgestaltung des Ladens / der Bildungsarbeit), wer als Ansprechpartner/-in im Laden zur Verfügung steht und wie die Ehrenamtlichen in der Einarbeitung begleitet werden.
Das Gewinnen neuer Mitarbeiter/-innen in Weltläden beginnt bereits bei der gezielten Suche. Die Erfahrung in vielen Weltläden zeigt, dass auf konkrete Ausschreibungen für bestimmte Arbeitsbereiche, wie z.B. für Bildungsarbeit, Dekoration, Marketing, Einkauf oder Öffentlichkeitsarbeit, eher Engagierte gefunden werden. Sinnvolle Orte, wo es Anknüpfungspunkte zum Engagement in Weltläden gibt, sind z.B. Ehrenamtsagenturen, Volkshochschulen, Schulfördervereine oder Seniorenuniversitäten.
Begleitung ist wichtig
Ehrenamtliche von Beginn an zu begleiten ist eine weitere Herausforderung. In einem ersten Kontaktgespräch können zunächst die gegenseitigen Erwartungen und die möglichen Tätigkeiten Wünsche geklärt werden. Für die Einarbeitung ist es hilfreich, eine klare und kontinuierliche Verantwortlichkeit im Weltladen zu benennen, um die Orientierung im Laden zu erleichtern. Regelmäßige Gespräche und Feedbacks helfen der neuen bzw. dem neuen Aktiven, sich einzuarbeiten. In Läden mit Hauptamtlichen gibt es meist eine festangestellte Ladenkoordination, die für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter-/innen zuständig ist. Ein alternatives Modell ist die Einarbeitung durch sogenannte Mentoren/-innen. Das sind Mitarbeiter/-innen, die bereits längere Erfahrungen im Weltladen haben und neuen Ehrenamtlichen zur Seite stehen und ihnen den Einstieg erleichtern können. Dieses Modell bietet sich auch für kleinere Weltläden an, die ausschließlich ehrenamtlich mit relativ begrenzten Ressourcen arbeiten.
Unsere Gesellschaft wird bunter
Paul-Stefan Roß, Ehrenamtsforscher am Institut für angewandte Sozialwissenschaften der DHBW Stuttgart, formuliert die Herausforderungen für die Zukunft des Ehrenamts folgendermaßen: „Steigende Vielfalt des Engagements und Demografischer Wandel bedeuten auch, dass unsere Gesellschaft bunter wird - was die kulturellen und ethnischen Wurzeln der hier lebenden Menschen betrifft. In einer „Gesellschaft der Vielfalt“ wird es auch eine Vielfalt von „Engagement-Kulturen“ geben. Dies beinhaltet Herausforderungen, aber auch die Chance der Bereicherung.“ Weltläden können einen sinnvollen Beitrag zur Integration von Migranten/-innen übernehmen. Diese Zielgruppe wird bisher in nur wenigen Läden angesprochen, bietet aber ein großes Potenzial, nicht zuletzt durch ihre persönlichen Bezüge zu Fairem Handel, Armutsbekämpfung und Menschenrechten. Damit kann auch die ehrenamtliche Struktur in Deutschland „vielfältiger“ werden. Gleichzeitig bieten Weltläden auch in Bezug auf intergenerationelle Zusammenarbeit ein großes Potenzial. So können Kompetenzen und Lebenserfahrung der älteren Menschen genutzt und eine sinnstiftende gesellschaftliche Teilhabe im dritten Lebensabschnitt ermöglicht werden.
Neben einer Willkommenskultur sind auch Wertschätzung und Anerkennung wesentliche Bausteine für ein gelungenes Freiwilligenmanagement. Hierzu gehören neben regelmäßigen gemeinsamen Aktivitäten auch Jubiläen und Verabschiedungen.
Autor: Achim Franko
Weitere Informationen und Veranstaltungen zum Thema „Gewinnen neuer Mitarbeiter/-innen“:
Der Leitfaden des Dachverbands „Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Weltladen gewinnen und einarbeiten“ bietet zahlreiche Anregungen sowie eine Checkliste für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter/-innen im Weltladen.
In diesem Herbst startet die neue Kursreihe „Neue Mitarbeitende gewinnen!“ von der Weltladen-Akademie mit insgesamt 13 bundesweiten Seminaren. Termine und Orte sind ab sofort auf der Seite der Weltladenakademie zu finden:
www.weltladen-akademie.de/termine.
Quellen:
Hauptbericht des Freiwilligensurveys, TNS Infratest Sozialforschung, München, 2009. Leitfaden „Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Weltladen gewinnen und einarbeiten“, Weltladen-Dachverband, 2007.
Caritas Magazin 2013: http://www.caritas-nrw.de/magazin/2013/artikel/ehrenamt-im-wandel